Jugend braucht mehr Taten

Nach der ersten Hälfte der Legislaturperiode präsentierte die BJV ihre Bilanz zur Regierungsarbeit: Nur ein Fünftel der kinder- und jugendrelevanten Vorhaben  wurden umgesetzt. Die BJV fordert mehr Tempo.

 

BJV-Vorsitzende Sabrina Prochaska und Fiona HerzogVon der Coronavirus-Pandemie zum Klimawandel bis hin zum Ukraine-Krieg und jetzt auch noch die Teuerungswelle: Das Leben junger Menschen ist derzeit von vielen Krisen geprägt. Deshalb fordern die Vorsitzenden der Bundesjugendvertretung (BJV) nach der ersten Hälfte der Legislaturperiode in Zukunft mehr Taten als Ankündigungen von den Regierungsmitgliedern. „Wir brauchen eine Kehrtwende und Perspektiven, denn junge Menschen brennen aus. Jetzt muss es darum gehen, gemeinsam aus den Krisen rauszukommen“, betonte BJV-Vorsitzende Sabrina Prochaska bei einem Pressegespräch anlässlich der Regierungshalbzeit.

Mehr Aufmerksamkeit haben die Agenden von jungen Menschen mit der Einführung des Jugendstaatsekretariats und der Weiterführung der Jugendstrategie bekommen. In der zweiten Regierungshalbzeit drängt die BJV aber auf mehr Tempo bei der Umsetzung von konkreten Vorhaben. „Bisher wurde nur ein Fünftel der kinder- und jugendrelevanten Maßnahmen im Regierungsprogramm umgesetzt“, resümiert BJV-Vorsitzende Fiona Herzog. Aufholbedarf gibt es vor allem in den fünf Bereichen psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, Bildung, Teuerung, Kindeswohl und Klima.

Psychische Gesundheit weiter akut

Bereits mehr als jede*r zweit*e Jugendliche leidet an psychischen Problemen. Das Projekt der Regierung „Gesund aus der Krise“ ist eine wichtige Investition. Im Vergleich zum tatsächlichen Bedarf ist es aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Gedeckt wird damit nämlich nur ein Zehntel des Bedarfs an Therapieplätzen. In einigen Bundesländern gibt es keine Kassenärzt*innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie. „Die Lage spitzt sich zu. Wir fordern endlich eine langfristige Lösung, wie die kassenfinanzierte Versorgung für Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen aufgestockt werden kann. Es darf nicht vom Bundesland oder von der Geldtasche der Eltern abhängen, ob ein junger Mensch Hilfe bekommt oder nicht“, so Herzog.

Bildungsreformen ausständig

Beim Thema Bildung erwartet sich die BJV einen sicheren Präsenzunterricht im Herbst, damit die im Distance Learning entstandenen Defizite bei Schüler*innen ausgeglichen werden können. „Nach zwei Jahren Pandemie muss die Regierung ein Konzept vorlegen können, damit ein sicherer Schul- und Kindergartenbetrieb stattfinden kann, auch wenn die Infektionszahlen wieder steigen. Die Regierung muss zeigen, dass sie in den zwei Pandemie-Jahren dazugelernt hat“, sagt BJV-Vorsitzende Sabrina Prochaska. Positiv ist die Digitalisierungsoffensive, die an Schulen stattgefunden hat. Dass aber laut AK-Nachhilfebarometer ein Viertel aller Schüler*innen im vergangenen Jahr Nachhilfe nehmen musste, besorgt die BJV-Vorsitzende: „Es darf nicht länger sein, dass Bildungsdefizite privat ausgebügelt werden müssen und sich die Vererbung von Bildung weiter fortschreibtn“, betont Prochaska.

Teuerung massive Belastung

Noch lange beschäftigen wird junge Menschen die Teuerungswelle. Das von der Regierung bereits beschlossene Entlastungspaket oder die Erhöhung der Studienbeihilfe sind eine erste wichtige Unterstützung, aber die im Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen gegen Kinderarmut sind jetzt wichtiger denn je, betont BJV-Vorsitzende Fiona Herzog: „In Österreich ist bereits jedes fünfte Kind von Armut betroffen oder bedroht und diese Zahl wird durch die aktuelle Teuerung weiter steigen. Die Regierung hat eine Neuauflage der Kinderkostenstudie durchgeführt. Jetzt müssen Taten folgen: Es muss eine langfristige Strategie gegen Kinderarmut erarbeitet werden und aus unserer Sicht braucht es eine Kindergrundsicherung sowie eine Unterhaltsgarantie auf Basis der Kinderkostenstudie.“

Kindeswohl stärker berücksichtigen

Neben der Bekämpfung von Kinderarmut sieht die BJV auch beim Kindeswohl dringenden Handlungsbedarf. „Die Berücksichtigung des Kindeswohls in Asylverfahren ist im Regierungsprogramm verankert. Nach mehreren Fällen von Abschiebungen von Minderjährigen wurde auch eine Kindeswohlkommission eingerichtet. Die Empfehlungen der Kommission sind aber vor einem Jahr in einer Schublade verschwunden. In der Praxis gibt es bis heute keine Verbesserungen“, kritisiert Herzog. Insgesamt müssen Kinderrechte stärker forciert werden, auch hinsichtlich der Lücken beim Kinderschutz.

Mehr Tempo beim Klimaschutz

Zu langsam agiert die Bundesregierung nach Ansicht der BJV auch in der Klimapolitik. Zum Beispiel ist Österreich nach wie vor ohne Klimaschutzgesetz, obwohl eine Neuauflage im Regierungsprogramm festgehalten ist und diese mehrfach angekündigt wurde. „Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren. Wir haben schon im März in einem offenen Brief an die Regierung unsere Kritik geäußert, dass nach wie vor ein Klimaschutzgesetz fehlt. Wir wollen, dass sich die Regierung dazu bekennt, unsere und auch die Lebensgrundlage weiterer Generationen zu schützen“, betont Prochaska. Kritisch sieht die BJV-Vorsitzende auch die Verschiebung der ökosozialen Steuerreform. „Dass die Einführung verschoben wurde, sendet ein falsches Signal aus, besonders weil die Teuerung nicht in ein paar Monaten vorbei sein wird“, so Prochaska.

Fehlendes Vertrauen in die Politik