Who cares? Wie eine fairere Aufteilung von unbezahlter Sorgearbeit auch Männern ein besseres Leben ermöglicht

Wer sorgt sich um die Kinder? Wer pflegt die alten Menschen? Wer putzt die Wohnung, kocht, wäscht und räumt auf? Wer kauft die Lebensmittel ein? Und wer fällt am Ende eines langen Tages hundemüde ins Bett, ohne dafür entlohnt zu werden? In den meisten Haushalten sind das die Frauen. Bis zu 30 Stunden unbezahlte Arbeit* pro Woche verrichten Frauen zusätzlich zu ihrer regulären Lohnarbeit. Wir fragen uns: Was ist mit den Männern? Und analysieren warum die Schuld nicht bei den einzelnen Individuen liegt, sondern vielmehr an der ungleichen Verteilung von Lohn- und Sorgearbeit!

Ein Text von Romana Greiner, Sprecherin des BJV-Frauenkomitees

Zuerst die Fakten: Frauen arbeiten im globalen Durchschnitt – also in JEDER Region der Welt – und leider auch noch immer in Österreich mehr Stunden pro Tag als Männer. Frauen bekommen im Unterschied zu Männern für mehr als die Hälfte ihrer Arbeit nichts bezahlt. Dass das nicht fair ist, liegt auf der Hand. Aber wie kommen solche Schieflagen zustande?

Es fängt an bei der Gretchenfrage: Wer geht in Karenz?

Wer kennt’s nicht? Die gute Bekannte ist schwanger. Jubel, Freude, Gratulationen. Und dann die Frage: „Und bleibst du dann bei deinem Kind zuhause oder reduzierst du Stunden?“

Wir gehen in diesem Beispiel nun von einer heterosexuellen Beziehung aus und da passiert‘s auch 2021 noch eher selten, dass diese Frage auch mal dem Mann gestellt wird. Schade eigentlich. Man sollte meinen: Beide bekommen ein Kind und beide möchten sich gleichermaßen darum kümmern, nicht nur die Frau.

In den meisten Paarbeziehungen geht sich das aber schon mal finanziell gar nicht aus. Die meisten Männer bekommen nach wie vor höhere Gehälter ausbezahlt, als ihre Partnerinnen. Und obwohl viele Männer gerne mehr Zeit bei ihren Kindern verbringen würden, müssen sie somit immer noch als „Haupternährer“ 40+ Stunden arbeiten. Auf einer individuellen Ebene lässt sich das Problem nicht auflösen. Selbst wenn die Frauen ebenfalls Vollzeit arbeiten gehen und nicht wegen der Kinder auf Teilzeit reduzieren würden, die finanzielle Lücke bliebe weiter bestehen.

Wege zu mehr Gleichberechtigung

Wie können wir das ändern? Alle Menschen sollten doch frei entscheiden können, ob und wie lange sie nach der Geburt eines Kindes zuhause bleiben wollen. Und sich dabei nicht ausschließlich auf finanzielle Fragen konzentrieren müssen. Wir müssen Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern gerechter aufteilen – egal ob es sich um eine Familie mit Kindern handelt oder ohne. Aber wie?

Zuerst einmal müssen wir die Arbeit von Berufen, die öfter von Frauen ausgeübt werden, aufwerten: Warum erhält eine Volksschullehrerin oder ausgebildete Kindergartenpädagogin kein Gehalt, von dem sie gut leben kann? Warum geht die Supermarktkassiererin mit unter 1.700 Euro heim? Warum werten wir Pflegeberufe nicht auf und honorieren diese offensichtlich systemrelevanten Berufe?

Gerade die Pandemie hat uns gezeigt, dass diese Berufe besonders wichtig sind, damit unsere Gesellschaft funktioniert. Entlohnen wir sie als Gesellschaft endlich auch dementsprechend! Werten wir die Lohnarbeit von Frauen endlich auf!

Wenn das geschafft ist, können wir über eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung nachdenken: Wenn nun alle Geschlechter für ihre jeweilige Tätigkeit gleich oder zumindest annähernd gleich viel verdienen, muss man sich auch nicht mehr fragen, wer nun für die Sorgearbeit für Kinder oder zu pflegende Menschen zuhause bleiben soll. Denn nun hängt die Entscheidung nicht mehr allein vom Geld ab. Wer gerade in seinem Leben mehr Lust auf Sorgearbeit hat, sollte die Möglichkeit haben, dem auch nachzugehen.

Und drittens: Die unbezahlte Hausarbeit, Pflege und Fürsorge wird aktuell zu drei Vierteln von Frauen geleistet. Dennoch dürfen sie nicht am Kuchen des Wohlstands mitnaschen. Frauen, die sich um Angehörige – seien es Kinder oder ältere Verwandte – kümmern, müssen oft mit einer unzureichenden Pension rechnen. Wieso man nicht finanziell abgesichert ist, obwohl man sein ganzes Leben so viel gearbeitet hat? Diese Fragen sollten in einem Land wie Österreich längst nicht mehr zur Debatte stehen.

Ach ja: In Kenia gilt Fürsorgearbeit seit neuestem als Arbeit. Dort hat man erkannt, dass der Wohlstand einer Gesellschaft ohne die unbezahlte Arbeit von Frauen wohl keiner wäre. Kindererziehung, Haushaltsführung und sich um andere Kümmern gilt dort jetzt als Vollzeitjob.

Für den Anfang würden wir uns aber damit zufriedengeben, wenn diese Forderungen endlich erfüllt würden:

  • Gezielte Maßnahmen für gerechte Verteilung der Care-Arbeit.
  •  Die Arbeitszeitverkürzung soll besonders und zuerst im bezahlten Care-Bereich umgesetzt werden.
  •  Ausfinanzierung staatlicher Pflege (Ausbau von Pflegeheimen etc.) und staatliche Pflegegarantie.
  • Förderung der Gesundheit von Frauen in (bezahlten und unbezahlten) Care-Tätigkeiten: Dabei handelt es sich um sowohl körperlich als auch psychisch sehr belastende Arbeit. Deshalb soll vor allem für diese Menschen der Zugang nicht zur zu Physio- sondern auch zu Psychotherapie erleichtert werden und eine volle Kostenübernahme der Therapiekosten durch alle Krankenkassen möglich sein. Gleichzeitig braucht es ausreichende Unterstützungsangebote und -einrichtungen sowie die Förderung von Netzwerken.

* Das sind die Zahlen für Deutschland, da es in Österreich keine aktuelle Zeitverwendungsdaten gibt. Es wurde eine Zeitverwendungsstudie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse für 2023 erwartet werden. Allerhöchste Zeit! Denn wer keine statistischen Daten hat, hat auch kein Gefühl für politische und gesellschaftliche Schieflagen.