Gewalt beginnt vor dem ersten Schlag

Im Rahmen der weltweiten Kampagne 16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen macht das Frauenkomitee der BJV mit einem Video auf das Thema aufmerksam. Hannah Svoboda, stellvertretende Sprecherin des Frauenkomitees, erklärt, warum Gewalt schon vor dem ersten Schlag beginnt und es jetzt dringend Maßnahmen zum Gewaltschutz und Täterarbeit braucht.

In einer Studie der Fundamental Rights Agency der EU (FRA) wurden zuletzt 2014 europaweite Daten zu den Gewalterfahrungen von Frauen und Mädchen veröffentlicht. Demnach hat jede fünfte Frau in Österreich ab ihrem 15. Lebensjahr physische oder sexualisierte Gewalt bzw. jede dritte Frau sexualisierte Belästigung erlebt. Wenn man sich im privaten Umfeld umhört, kann man allerdings davon ausgehen, dass weitaus mehr Frauen und Mädchen Gewalterfahrungen gemacht haben. Aus einer britischen Umfrage aus dem Jahr 2021, an der 20.000 Frauen teilgenommen haben, geht hervor, dass de facto jede Frau im Laufe ihres Lebens von einer Form von Gewalt betroffen ist. Für Mädchen, Frauen, trans und nicht-binäre Personen ist sexistische Gewalt Alltag. Gewalt beginnt nämlich schon vor dem ersten Schlag.

Gewalt sind sexistische Kommentare, Nachpfeifen auf der Straße und unerwünschte Berührungen. Gewalt ist finanzielle Abhängigkeit vom Partner, Kinder in Rollenbilder zu zwängen und ungleiche gesellschaftliche Teilhabe. Gewalt beginnt da, wo Geschlechterungleichheiten bestehen. Gewalt ist weder ein kulturelles, noch ein individuelles Problem, sondern ein systemisches. Um diesem Problem entgegenzuwirken, müssen Geschlechterungleichheiten an der Wurzel gepackt werden. Für ein gewaltfreies Leben muss das System der Gewalt an Mädchen, Frauen, trans und nicht-binären Personen endgültig bekämpft werden!

Gewalt beginnt vor dem ersten Schlag

Es braucht endlich echten Gewaltschutz!

Viele Gewaltschutzorganisationen und Expert_innen fordern breite Maßnahmen für Gewaltschutz und Gewaltprävention. Im Mai 2021 präsentierte die österreichische Bundesregierung ein Maßnahmenpaket für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. So sollen z.B. Polizeibeamt_innen sensibilisiert und Daten zu Stalkingfällen besser übermittelt werden. Das Paket enthält allerdings auch einige Punkte, die den Expert_innenmeinungen widersprechen. Es soll vermehrt “Motivforschung” geben und ein Fokus auf “kulturelle Gewalt” gelegt werden. Sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen sollen zwar verstärkt umgesetzt werden, allerdings können diese nach wie vor nur von der Polizei einberufen werden. Beim letzten Gewaltschutzgipfel am 23.11.2021 wurde von der Bundesregierung erneut ein Gewaltschutzpaket präsentiert, das mehr Geld für den Gewaltschutzbereich und eine Aufstockung der Polizist_innen enthalten soll. Dieses Paket soll 24,6 Millionen Euro umfassen. Gewaltschutzexpert_innen fordern mehr als zehnmal so viel, nämlich 228 Millionen Euro, um echten Gewaltschutz zu ermöglichen. Die Forderungen nach massiven Budgeterhöhungen und einem tatsächlichen Ausbau der Beratungs- und Anlaufstellen für Betroffene bleiben bis dato unbeantwortet.

Vier Frauenmorde innerhalb einer Woche

Die letzte Konsequenz eines gewaltfördernden Systems sind Femizide bzw. Frauenmorde. Wir zählen in Österreich im Jahr 2021 bis jetzt 29 Frauen, die durch männliche Gewalt getötet wurden (Stand 26.11.2021). Wir müssen leider davon ausgehen, dass es bis Jahresende noch mehr werden. Zuletzt wurde über vier Femizide innerhalb einer Woche berichtet – eine eigene polizeiliche Kriminalstatistik zu Frauenmorden gibt es übrigens nicht. Diese Zahlen erschüttern uns zurecht immer wieder auf’s Neue. Mehr zum Thema Femizide findest du in unserem Blog-Artikel “Land der Berge, Land der Frauenmorde”.

Uns reicht’s!

Wir wollen endlich eine Leben ohne Gewalt und Sexismus! Darum fordern wir:

  • Es braucht schon in der Kindheit gezielte Gewaltprävention. Schulen und Kindergärten müssen hier wichtige Aufklärungsarbeit leisten.
  • Die multi-institutionelle Zusammenarbeit  im Gewaltschutzbereich muss gestärkt werden. Sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen sollen wieder vermehrt eingesetzt und als Ressource gesehen werden.
  • Die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen muss sichergestellt werden. Das geht zum Beispiel durch Abschaffung des Gender Pay Gaps und einer Aufwertung von weiblichen dominierten Berufen.
  • Gewalt beginnt schon vor dem ersten Schlag! Jede Form der Gewalt gegen Mädchen, Frauen, trans und nicht-binäre Personen muss anerkannt und bekämpft werden.

Weitere Forderungen zum Thema Gewaltschutz findest du HIER.

Die Frauenhelpline gegen Gewalt bietet Hilfe und Unterstützung: 0800 222 555 oder www.frauenhelpline.at