Die zentralen Ergebnisse des EU-Jugenddialogs

Klimasorgen der Jugend werden nicht gehört

Drei Viertel der unter 30-Jährigen haben das Gefühl, dass ihre Anliegen zum Klima von der Politik nicht ernstgenommen werden. Rund 60 Prozent glauben, dass sich das in Zukunft auch nicht ändert. Das ergab die österreichweite Umfrage des EU-Jugenddialogs unter mehr als 1.500 Personen.

Der Klimawandel ist seit Jahren eine der größten Zukunftssorgen der jungen Generation. Um die Frage zu klären, wie sich Österreichs Jugend ein nachhaltiges und inklusives Europa vorstellt, hat die Koordinierungsstelle des EU-Jugenddialogs in der Bundesjugendvertretung (BJV) eine österreichweite Umfrage durchgeführt. Insgesamt wurden mehr als 1.500 junge Menschen unter 30 Jahren von April bis September 2022 befragt.

Und die Ergebnisse zeigen vor allem ein Problem auf, das die Politik ernstnehmen sollte: Das Verhältnis von jungen Menschen zur Politik ist angespannt, vor allem wenn es um das Thema Klima geht.

Dafür gibt es einen zentralen Grund: Junge Menschen haben kaum Vertrauen in die österreichische Klimapolitik, weil sie das Gefühl haben, dass ihre Sorgen nicht ernstgenommen werden. Das sagen auch drei Viertel (75 Prozent) der Befragten: Sie sind der Meinung, dass ihre Anliegen zu Klima- und Umweltthemen bei der Politik kein Gehör finden. Und das obwohl sie sich wirklich Gedanken machen und sich mit dem Klimawandel auseinandersetzen. Knapp 70 Prozent der Teilnehmenden fühlen sich ausreichend über den Klimawandel informiert. Es ist aber das zaghafte Handeln der Politik, das junge Menschen wütend macht und enttäuscht.

„Die Folgen des Klimawandels sind deutlich spürbar. Wir erleben Hitzerekorde im Sommer und Frühlingstemperaturen im Winter. Seit Jahren demonstrieren Jugendliche für eine gerechte Klimapolitik. Die Politik hat es bis heute nicht geschafft, Maßnahmen zu setzen, damit wir das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzübereinkommens erreichen. Da überrascht es nicht, dass junge Menschen das Gefühl haben, von der Politik nicht gehört zu werden“, betonte BJV-Vorsitzender Sabir Ansari bei der Präsentation der Ergebnisse im Rahmen einer Pressekonferenz im Haus der Europäischen Union. Auch ein gültiges Klimaschutzgesetz fehlt nach wie vor, führte der Vorsitzende aus: „Wenn sich die Regierungsmitglieder in zwei Jahren auf keine verbindlichen Klimaziele einigen, wie sollen junge Menschen dann daran glauben, dass wir die Klimakrise nachhaltig bekämpfen können? Wir müssen ab sofort sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene dem Klimaschutz mehr Priorität einräumen.“

Noch problematischer wird es aber mit Blick in die Zukunft: „Schon jetzt wissen rund 60 Prozent der Befragten keinen Weg mehr, wie sichergestellt werden könnte, dass die Politik ihre Bedürfnisse bei Umweltthemen auch berücksichtigt“, so Ansari. Für den BJV-Vorsitzenden ein weiteres Zeichen, dass es höchste Zeit ist, wirksame Maßnahmen umzusetzen: „Das sollte für die Politik ein Alarmsignal sein. Die Zahlen zeigen ganz klar, dass Jugendliche beim Klimaschutz kein Vertrauen in die Politik haben.“

Starker Wunsch nach Klima-Bildung

Ein zentrales Ergebnis der Befragung ist auch der Wunsch nach Klima-Bildung. „Rund 55 Prozent der Befragten kennen keine jugendfreundlichen Informationsquellen zum Klimawandel. Sich zu informieren ist deshalb für viele Jugendliche oft mit intensiven Recherchearbeiten verbunden“, sagte Sophie Hammer, BJV-Referentin und zuständig für den EU-Jugenddialog. Das führt auch dazu, dass die vielfältigen Auswirkungen der Klimakrise auch bei großem Interesse oft nicht zur Gänze verstanden werden und nicht alle jungen Menschen die gleiche Chance bekommen, sich einzubringen.

„Die Hälfte der Befragten fühlt sich nicht ausreichend über den Zusammenhang zwischen Klimawandel und sozialen Ungleichheiten informiert. Drei Viertel finden, dass nicht alle jungen Menschen den gleich guten Zugang dazu haben, sich politisch beim Thema Klimawandel zu beteiligen“, führte die BJV-Referentin aus. Eine Lücke, die es zu schließen gilt, betonte BJV-Vorsitzender Ansari: „Junge Menschen wünschen sich eine stärkere Verankerung von Klima-Bildung in den Schulen und eine altersgerechte Vermittlung des Themas bereits ab dem Kindergarten. Außerdem vermissen Jugendliche auch Möglichkeiten zu lernen, wie mit sie mit ihrer Zukunftsangst umgehen können.“

Kaum Probleme mit klimafreundlicher Mobilität in den Städten

Erfreuliche Nachrichten bringt die Befragung beim Thema Mobilität: Neun von zehn der Befragten geben an, die Möglichkeit zu haben, klimafreundliche Transportmittel zu verwenden. „In den Städten ist der öffentliche Verkehr gut ausgebaut, aber es gibt einen deutlichen Wunsch nach sicheren Radwegen. Anders ist es im ländlichen Raum, da gibt es vor allem abends und in der Nacht wenige Möglichkeiten, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen“, stellte Hammer mit den Umfrage-Ergebnissen fest.

Insgesamt muss der öffentliche Verkehr aber auch inklusiver werden, forderte Ansari: „Für Menschen mit Behinderung ist der öffentliche Verkehr besonders am Land nach wie vor eine Herausforderung. Barrierefreie Öffis sind auch 2023 leider noch keine Selbstverständlichkeit wie unsere Befragung zeigt. Hier gibt es Aufholbedarf, damit jede Person ohne Hindernisse klimafreundliche Entscheidungen treffen kann.“

Politik ist in der Verantwortung dem Vertrauensverlust entgegenzuwirken

Die Jugenddialog-Ergebnisse aus Österreich fließen nun in den EU-weiten Jugenddialog ein und werden bei der dritten EU-Jugendkonferenz in Schweden diskutiert. Unter der schwedischen Ratspräsidentschaft ist auch eine Ratsentschließung zu den Ergebnissen der aktuellen Beteiligungsrunde des Jugenddialogs geplant. Kein verbindlicher Beschluss, aber ein wichtiges politisches Signal, betonten Ansari und Hammer: „Dieses Dokument darf nach dem Beschluss nicht in einer Schublade verschwinden. Es liegt jetzt in der Verantwortung der nationalen und europäischen Politik, wirksame Maßnahmen zu setzen und das Vertrauen der Jugend wiederaufzubauen.“

BJV ermöglicht Beteiligung auf allen Ebenen

Der EU-Jugenddialog in der BJV ermöglicht jungen Menschen Beteiligung von lokaler bis zur europäischen Ebene und ist ein EU-weiter Prozess, der die Interessen und Bedürfnisse junger Menschen sichtbar macht. In der Konsultationsphase der 9. Beteiligungsrunde, die von April bis September 2022 dauerte, haben junge Menschen in ganz Europa erarbeitet, wie sie sich ein nachhaltiges und inklusives Europa vorstellen. In Österreich gab es neben der landesweiten Jugendbefragung auch 16 Gesprächsrunden mit Gruppen junger Menschen sowie die 3. Österreichische Jugendkonferenz mit rund 50 Teilnehmer*innen aus ganz Österreich, die ihre Meinung geäußert haben. Umfangreichere Ergebnisse der lokalen Workshops und der Jugendkonferenz können unter www.jugenddialog.at nachgelesen werden.

Von 21. bis 23. Juni 2023 lädt die BJV zur 4. Österreichischen Jugendkonferenz nach Salzburg ein. Jugendliche zwischen 16 und 30 Jahren können sich kostenlos unter www.bjv.at anmelden und mit den Jugendlandesrät*innen in den Dialog treten. Denn alle bisherigen Ergebnisse zeigen laut BJV-Vorsitzenden Sabir Ansari eines: „Junge Menschen brauchen jetzt positive Perspektiven und sie müssen merken, dass die Versprechen der Politik in Sachen Klimaschutz auch eingehalten werden. Über 65 Prozent der Befragten geben an, dass sie glauben, es in Zukunft nicht besser zu haben, als ihre Eltern. Das darf die Politik nicht ignorieren. Junge Menschen sind motiviert etwas zu verändern, man muss ihnen nur die Möglichkeit geben.“

Co-finanziert von der EU, Bundeskanzleramt, Jugenddialog