Black History Month: Interview mit Noomi Anyanwu

Zum Abschluss des Black History Month hat das BJV-Frauenkomitee Aktivistin Noomi Anyanwu zum Interview eingeladen. Noomi ist die Initiatorin und Sprecherin des Anti-Rassismus Volksbegehrens “Black Voices”. Sie spricht mit Nesrin El-Isa, stellvertretende Sprecherin des Frauenkomitees, über Rassismus in Österreich und warum dieser das ganze Jahr Thema sein sollte.

Nesrin: Hallo Noomi, danke dass du dir die Zeit genommen hast. Du warst ja bereits in den Anfangsstunden der Black Voices Bewegung dabei. Wie kam es dazu, dass du dich dort engagiert hast und wie wurde Black Voices ins Leben gerufen?

Noomi: Black Voices wurde nach den Black Lives Matter Demonstrationen in ganz Österreich ins Leben gerufen – von dort kam uns die Idee dazu. Österreichweit sind über 100.000 Menschen gegen rassistische Polizeigewalt auf die Straße gegangen, aber in weiterer Folge auch gegen strukturellen Rassismus in Österreich. Das ist vor allem in Österreich wichtig, weil man bis dato über Rassismus so gesprochen hat, als wäre es nicht das Problem von Österreich, sondern eben von anderen Ländern, wie z.B. von den fernen USA oder Ländern, von denen man denkt, dass sie rückschrittlich sind oder zu denen es andere Assoziationen gab. Aber Rassismus ist eben ein globales und strukturelles Problem, womit die ganze Welt zu kämpfen hat.

Nach den BLM (Black Lives Matter)-Demos in ganz Österreich, haben wir uns gedacht: Okay, es sind gerade 100.000 Menschen auf der Straße, es haben zumindest einige neue Menschen verstanden, dass Rassismus ein Problem ist und sie wollen etwas dagegen tun. Wir müssen den Moment jetzt nutzen und die Aufmerksamkeit aufrecht erhalten und hier nochmal verstärkt vorgehen.

Da kam uns die Idee des Volksbegehrens. Dadurch wollten wir weiterhin, in den Medien bleiben, das Thema Rassismus und vor allem aber auch Anti-Rassismus ansprechen und wie wir das Problem lösen können. Es ging uns darum Lösungsvorschläge und -ansätze zu bieten und vor allem auch politische Forderungen zu stellen.

Konkret gesagt: Hier können wir ansetzen, das sind Vorschläge von verschiedenen Communities, die von Rassismus betroffen sind. Die Forderungen haben wir auch gemeinsam mit verschiedenen Initiativen und Vereinen ausgearbeitet und die sollen eben in einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus münden. Das waren die Anfangsstunden im Sommer 2020. Da haben wir definitiv wenig Urlaub gemacht und uns ganz intensiv den Forderungen und dem Aufstellen des Volksbegehrens gewidmet.

Nesrin: Das klingt nach einer Wucht an Arbeit, so eine Bewegung zu starten. Wo steht Black Voices heute? Welche Meilensteine habt ihr erreicht, was wünscht ihr euch noch für die Bewegung?

Noomi: Wenn ich so zurückblicke, haben wir eigentlich schon ganz viel geschafft und sind tatsächlich auch mehr als ein Volksbegehren geworden. Ich glaube, wir sind viel mehr als eine Initiative, die Unterschriften sammelt. Wir sind eine politische Organisation, die auf ganz viele verschiedene Dinge aufmerksam macht: Rassismus (auch intersektional zu denken), Überschneidungsformen von Diskriminierung und worauf wir achten müssen z.B. in Hinblick auf Sexismus und Rassismus, die Klimakrise, koloniale Denkweisen usw. Bei diesen Themen haben wir auch schon einige Erfolge erzielen können. Ein relativ großer Erfolg ist das Sichtbarmachen von Black-Facing in Österreich, das jedes Jahr beim Sternsingen praktiziert wird. Auch in Unternehmen, Schauspielhäusern…ich denke, das ist in den letzten Jahren noch nie so Thema gewesen. Es schreiben uns auch immer wieder Leute über Instagram an und weisen uns auf Fälle hin. Wir sind teilweise auch schon eine Meldestelle geworden, nicht im juristischen Sinne, aber im Sinne davon, dass sich Menschen  an uns mit Problemen oder Erfahrungen wenden.

Wir  versuchen uns sehr zu vernetzen, es ist extrem wichtig mit verschiedenen Menschen zu kooperieren. Deswegen haben wir auch im September 2021 das Diversity-Festival organisiert, bei dem sehr viele verschiedene Künstler*innen mit Migrationsbiographie und POC’s aufgetreten sind. Da ging es darum mit Musik, Tanz und Vielfalt zusammenzukommen und Unterschriften zu sammeln; auch auf politischer Ebene gibt es einige Verbesserungen: So gibt es jetzt eine offizielle Stelle im Ministerium, die sich mit Diversität und Anti-Rassismus beschäftigt. Anti-Rassismus ist vor allem mehr in die Köpfe der Menschen gekommen und das ist mir persönlich immer ein großes Anliegen.

Black History Month: Interview mit Noomi Anyanwu

Noomi Anyanwu, Sprecherin des Black Voices Volksbegehrens

Nesrin: Ich verfolge eure Arbeit von Anfang an mit und finde es schön, dass aus einer anfangs kleinen Bewegung nicht nur eine Plattform entstanden ist, die unterschiedliche Menschen zusammenbringt, sondern auch ein  Sprachrohr für BIPOCs. Wir befinden uns derzeit natürlich auch im Black History Month (BHM), was für viele unterschiedlichste Bedeutungen hat. Daher meine Frage an dich: Was bedeutet dir persönlich der Black History Month?

Noomi: Es legen viele Menschen und Initiativen immer unterschiedlichste Schwerpunkte im BHM und das ist auch ganz okay so. Im BHM geht es um sehr viele Dinge, wie beispielsweise die Sichtbarmachung von Errungenschaften der Schwarzen Community, wichtigen Schwarzen Persönlichkeiten und für mich persönlich geht es da auch immer um Rassismus, White-Washing von Geschichte, fehlende Repräsentation und die heutige öffentliche Repräsentation von Schwarzen Menschen. Meiner Meinung nach muss man, um die Geschichte und Rassismus verstehen zu können, einen Blick auf die Geschichte werfen, deswegen ist es für mich ein sehr wichtiger Monat, der aber das ganze Jahr über Thema sein sollte.

Nesrin: Da gebe ich dir vollkommen Recht. Die Erfolge von Schwarzen und wichtige Schwarze Persönlichkeiten, die selten ihren Platz im Geschichtsunterricht finden, sollten viel mehr im Fokus stehen und das auch außerhalb des BHM. Als Frauenkomitee widmen wir uns natürlich auch feministischen und frauenpolitischen Themen. In den letzten Jahren waren hier und da Bemühungeneinen intersektionalen feministischen Ansatz zu wählen. Wenn du als Noomi jetzt in die feministischen Szenen blickst, was fehlt dir da?

Noomi: Ich denke, es gibt nicht „die eine“ feministische Bewegung, aber ich glaube in fast allen Bewegungen fehlt auf jeden Fall Intersektionalität. Nicht nur das Wort oder die Philosophie einer Bewegung à la „Wir haben einen intersektionalen Zugang“, sondern ECHTE Repräsentation und Diversität. Wenn wir uns Vereine und ihre Teams anschauen, wenn wir uns Aktivist*innen ansehen, Initiativen, die Reichweite haben und mit Geldern unterstützt werden, dann ist das alles noch sehr weiß, bürgerlich, hetero und cis. Ich denke, dass ist auf jedenfall nicht der Feminismus, der uns auch weiterbringt. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir weiterhin darüber reden, auch in Linken Kreisen. Es wird immer wieder erwähnt, dass man da einen Fokus darauf legen würde, aber wenn man dann wirklich hinsieht, was gemacht wird, ist das oftmals nicht genug oder wieder  nur leere Worte. Das ist auch mitunter ein Grund, warum ich selbst in der feministischen Szene aktiv bin und warum mir Feminismus ein großes Anliegen ist. Auch die Überschneidungen von Rassismus und Sexismus werden oft vergessen oder nicht verstanden, warum das so wichtig ist. Der Begriff „Intersektionalität“ wurde von Kimberly Crenshaw geschaffen, um Race, Gender und Class mitzudenken und wenn man sich heutzutage intersektional nennen will, muss man das auf jeden Fall auch ernst meinen und nicht nur ernst sagen.

Nesrin: Eine etwas persönliche Frage: Wenn du an das erste Mal zurück denkst,, wo du gemerkt hast, dass deine Hautfarbe eine Rolle gespielt hat –  an was denkst du da? Möchtest du uns das erzählen?

Noomi: Mir fallen da ein paar Sachen ein. Mir fallen Momente ein wie im Zeichenunterricht, wenn der Buntstift Hautfarbe geheißen hat und der einfach rosa war und nicht braun. Mir fallen viele Situationen in der Volksschule und im Kindergarten ein, wo ich mit dem N-Wort beschimpft wurde. Als Kind versteht man gleich was mit diesen Beschimpfungen gemeint ist, auch wenn man die Bedeutung vielleicht nicht genau kennt, weil man den abfälligen Ton, in dem es gesagt wird, mitbekommt. Das waren auf jeden Fall Momente, die mich und meine Familie sehr geprägt haben. Ein großer Punkt der auch seit kurzem Thema ist, ist die Erziehung von Kids of Color. Wie man ihnen Rassismus erklärt und dass das eigentlich für Migrant*innenfamilien oder POC-Familien ganz normal ist, dass sie bereits in jungem Alter über Rassismus aufgeklärt werden und man ihnen beibringt, wie man damit umgeht und wie man sich zu verhalten hat. Sehr viele weiße Familien waren hier sehr schockiert und haben sich gedacht: „Davon habe ich noch nie gehört“ oder „Daran musste ich noch nie denken“. Und hier kann man sich die Frage stellen: Warum müssen POC-Kinder lernen wie sie sich zu verhalten haben und warum müssen weiße Kinder nicht lernen wie sie respektvoll und fair mit allen umgehen.

Nesrin: Gab es durch deine Erlebnisse durch die Black Voices-Bewegung Momente, Erfahrungen oder Situationen, die dich hoffnungslos gestimmt haben, aber auch wiederum Erlebnisse, die dir Kraft und Hoffnung gegeben haben, dass sich die Lage bessern wird?

Noomi: Ja, es gab auf jeden Fall einige Dinge, die eine*n runterziehen. Oft ist es schwer  sich auf das Positive zu konzentrieren oder sich an dem Positiven zu erfreuen, weil mit dem Erfolg meistens Hand in Hand ein Misserfolg oder Rückschlag kommt. Wenn man z.B. eine coole Kampagne aufgestellt hat, folgt auf positive Rückmeldungen gleich die nächste Nachricht von jemanden, in der man beschimpft wird. Das sind dann Kommentare wie: Wie traust du dich, das überhaupt zu schreiben?!“ Diese ganzen rassistischen Kommentare, die dann kommen, die ich hier auch nicht reproduzieren möchte, sind natürlich auch etwas demotivierend.

Auch die Missrepräsentation oder Interpretation von Medien zu gewissen Themen ist natürlich ein Problem. Es kommt immer weniger vor, aber Sachverhalte werden  auch von großen  Medienhäuser sehr verdreht dargestellt. Das ist natürlich nichts neues in der Rassismusdebatte wie beispielsweise, dass Sachverhalte in den Vordergrund gestellt werden, die hintergründig sind oder keine Rolle spielen, vor allem wenn man an die Migrationsbiographie einer Person denkt. Wenn etwas vorfällt, heißt es schnell: : „Das war ein Afghane“ oder „Das war ein Syrer“ und nicht einfach ein „Mann“.

Eine große Herausforderung bei Diskussionen ist es, wenn Menschen nicht anerkennen wollen, dass es Rassismus gibt. Das ist sehr schwierig, weil du im Prinzip überhaupt keine Gesprächsbasis mehr hast, wenn das total abgestritten wird.

Natürlich ist das auch verletzend, weil dir im Prinzip ein Teil deiner Identität abgesprochen wird, indem man sagt es gibt Rassismus nicht und du denkst dir: Okay, was habe ich den die letzten 20,30, 40 Jahre erlebt in Österreich?

ABER: Ich mache es immer noch. Es gibt natürlich auch viele gute Momente, sonst wäre ich wahrscheinlich auch nicht mehr dabei. Eine ganze wichtige Sache für mich ist es Mitstreiter*innen zu haben, die ähnliches erleben, einen ähnlichen Weg gehen und mit denen man sich immer austauschen, sich empowern und bestärken kann

Auch bzgl. Black-Voices und wie weit wir schon gekommen sind, wie viel wir erreicht haben und wie viele Menschen uns schon kennen. Es wird uns Unterstützung ausgesprochen von prominenten Menschen oder wichtigen Entscheidungsträger*innen. Da freut man sich natürlich sehr, dass man was bewirken konnte und es weiter geht. Auch Menschen, die uns immer wieder sagen, dass sie sich weiterbilden durch uns und unsere Arbeit wichtig finden. Das freut eine*n natürlich sehr.

Nesrin: Es ist schön zu hören, wie viel ihr bereits bewirkt und wie ihr trotzt ermüdender Situationen und Erfahrungen weiter macht. Meine letzte Frage ist ziemlich off-topic: Was ist dein Lieblingswitz?

Noomi: Oh mein Gott! Das ist die beste Frage, die du mir hättest stellen können. Ich habe nämlich seit Jahren einen Lieblings-Flachwitz, der hat sich aber Vorgestern geändert. Das ist jetzt eine Premiere. Also….(bricht in Gelächter aus)…..Wie nennt man es, wenn man an einer Überdosis Palatschinken stirbt?

Nesrin: Hmmm….keine Ahnung!

Noomi: Crepe-ieren!

Nesrin: Hahahaha….es ist so gut! Vielen Dank für deine Zeit, Noomi! Ich wünsch dir viel Kraft und Energie für diese wichtige Arbeit, die du leistest. Keep on fighting the fight!

Noomi: Danke für das Interview!

Hier mehr Infos zum Black Voices Volksbegehren.