Offener Brief: Neue Kinderkostenstudie

Mehr als 80 Organisationen fordern von der künftigen Regierung eine Kinderkostenstudie, in der die finanzielle Lage von Familien neu berechnet wird. Letzte Erhebung fand 1964 statt.

Mehr als 80 Organisationen, darunter unterschiedliche Kinder- und Jugendorganisationen, Beratungsstellen, Familien- und Berufsverbände, richteten sich heute mit einem Offenen Brief an die Parlamentsparteien und die Regierung. In dem Brief fordern die Organisationen eine Neuerhebung der finanziellen Lage von Familien, um familienpolitische Maßnahmen, insbesondere im Unterhaltsrecht und der Familienförderung, an aktuelle Umstände anpassen zu können. Die letzte Erhebung wurde 1964 durchgeführt.

Die UnterzeichnerInnen des Briefes fordern die rasche Umsetzung einer aktuellen Erhebung der Ausgabenlage von Familien. Ein erster Schritt dazu ist die Verankerung im neuen Regierungsprogramm.

Initiiert wurde der Brief neben der Bundesjugendvertretung von der Arbeiterkammer Wien, den Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs, Katholische Jungschar, Netzwerk Kinderrechte Österreich, Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit, Österreichische Plattform für Alleinerziehende, SOS Kinderdorf und Volkshilfe Österreich.

Der Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Klubobmann Kurz,

Sehr geehrter Herr Klubobmann Schieder,

Sehr geehrter Herr Klubobmann Strache,

Sehr geehrter Herr Klubobmann Strolz,

Sehr geehrter Herr Klubobmann Kolba,

Sehr geehrter Herr Wöginger, sehr geehrte Frau Belakowitsch (für die Regierungsverhandlungsgruppe Soziales)!

Sachorientierte Politik braucht empirische Grundlagen, anhand derer politische Optionen geprüft und diskutiert werden können. Bei den Kosten, die Familien für ihre Kinder aufwenden müssen, fehlen diese. Wohnen, Essen, Kleidung, Ausgaben für Kinderbetreuung und Schule oder auch Freizeit und Urlaub – es müssen unterschiedlichste Kosten abgedeckt werden. Wie hoch diese tatsächlich sind, ist jedoch unbekannt.

Zwar gibt es die Regelbedarfssätze, die für Kinder je nach Altersstufe einen bestimmten Bedarf festlegen. Diese Werte gehen aber auf eine Erhebung im Jahr 1964 zurück. Sie werden jährlich an den Verbraucherpreisindex angepasst, die zugrundeliegenden Berechnungen sind jedoch seit mehr als 50 Jahren unverändert.

Seither hat sich aber enorm viel verändert. Während Kosten für Kleidung gesunken sind, sind andere Ausgaben, etwa Mieten, stark angestiegen. Aber nicht nur die Höhe einzelner Komponenten hat sich verändert, auch der Warenkorb insgesamt ist ein ganz anderer geworden. War 1964 das Festnetztelefon der aktuelle technische Stand, sind heute Smartphone, Laptop und Computer aus dem Alltag – auch von Kindern und Jugendlichen – nicht mehr wegzudenken. Auch Schule und Freizeitgestaltung unterliegen einem starken Wandel. Dementsprechend ist die Ausgabenstruktur von Haushalten mit Kindern mit jener von vor mehr als einem halben Jahrhundert in keiner Weise vergleichbar.

Trotzdem nehmen Familienrecht und familienpolitische Maßnahmen auf die Regelbedarfssätze in unterschiedlicher Weise Bezug, etwa im Unterhaltsrecht oder bei der Familienförderung. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Es ist dringend notwendig, die finanzielle Lage von Familien aktuell und auf einer statistisch zuverlässigen Basis zu erfassen.

Wir fordern die künftige Bundesregierung nachdrücklich auf, die Durchführung einer neuen Kinderkosten-Erhebung im Regierungsprogramm zu verankern und zu budgetieren.

Wir appellieren insbesondere, dass die Durchführung zum ehestmöglichen Zeitpunkt folgt – damit die österreichische Politik für Kinder und Familien wieder auf sachlich fundierte Grundlagen gestellt werden kann.