Die Bundesjugendvertretung (BJV) fordert gemeinsam mit Integration Tirol im Rahmen der UN-Staatenprüfung dringend mehr Maßnahmen für Inklusion und politische Beteiligung von jungen Menschen mit Behinderung.

Auf einem Tisch liegen verschiedene Schreibutensilien. Eine Hand zeigt auf einen Block, auf dem die Begriff Inclusion, Diversity und Equality geschrieben sind. Copyright: Canva/atlasstudio.In Genf prüfte der Fachausschuss der Vereinten Nationen (UN) in Form einer Staatenprüfung im August 2023, wie die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) in Österreich umgesetzt wird. Die UN-BRK ist in Österreich seit 2008 in Kraft und muss bei Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung berücksichtigt werden.  Der UN-Fachausschuss hat nun kontrolliert, ob Österreich den Empfehlungen vergangener Staatenprüfungen gefolgt ist und die Konvention tatsächlich umsetzt.

Als BJV setzen wir uns für eine inklusive Gesellschaft ein, die allen Mitglieder ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Menschen mit Behinderung können ihren Alltag oft nicht so gestalten, wie sie das wollen, Möglichkeiten zur Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben sind die Ausnahme. In der letzten Zeit hat sich die BJV deshalb öfters zu diesem Thema geäußert und mit dem BJV-Inklusionsbeirat ein eigenes Projekt dazu gestartet.

Bei der Staatenprüfung geht es jedoch nicht nur um einzelne Projekte, sondern gesamtpolitische Entwicklungen der letzten Jahre. Die Zivilgesellschaft spielt bei der zweiten Staatenprüfung eine besonders wichtige Rolle. Bereits am Tag vor der Staatenprüfung hat sie bei einem eigenen, nicht öffentlichen Treffen mit dem UN-Fachausschuss ihre Einschätzung zur derzeitigen Lage in Österreich geben können.

Die BJV war zwar nicht Teil dieser zivilgesellschaftlichen Delegation, jedoch haben wir im Vorfeld der Prüfung gemeinsam mit Integration Tirol einen zivilgesellschaftlichen Bericht zur Situation von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in Österreich geschrieben (den Download findest du am Ende des Beitrags). Eine Vertreterin von Integration Tirol, die als Teil der zivilgesellschaftlichen Delegation in Genf mit dabei war, konnte die Kernanliegen des Berichts direkt vortragen.

Kritischer Bericht aus NGO-Sicht

In unserem gemeinsamen Bericht beantworteten wir einerseits die Fragen, die von den UN an die österreichische Politik gestellt werden, aus zivilgesellschaftlicher Sicht. Andererseits wollten hervorheben, in welchen Bereichen aus unserer Sicht die Umsetzung in der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich besonders schleppend passiert – das sind: Partizipation am gesellschaftlichen und politischen Leben, Bildung, Gesundheit, Anti-Diskriminierung, Deinstitutionalisierung, Arbeit und Beschäftigung, Bewusstseinsbildung, Datenlage und Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch. 

In Summe ist für uns klar, dass Österreich in sehr vielen Anliegen die Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention immer noch nicht erfüllt hat, obwohl diese bereits 15 Jahre in Kraft ist. So gibt es hierzulande leider immer noch kaum Möglichkeiten für junge Menschen mit Behinderung, an politischen Prozessen teilzuhaben, gleichzeitig fehlt ihnen dabei und im weiteren Alltag eine entsprechende Unterstützung (das kann zum Beispiel in Form von bedarfsgerechter persönlicher Assistenz passieren),  im Bildungsbereich werden immer noch kaum inklusive Angebote gestaltet, sondern nach wie vor eine Ausgrenzung in Form von Sonderschulen betrieben und dann ist da noch das Thema Deinstitutionalisierung. Viele junge Menschen mit Behinderung werden in Behinderteneinrichtungen untergebracht, was eine Aussonderung behinderter Menschen fördert. Es braucht etwa dringend Strukturen auf nationaler und regionaler Ebene, die Beteiligung ermöglichen, die Schaffung eines inklusiven Bildungssystems und den sofortigen Stopp der Finanzierung von nicht-inklusiver Institutionen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung. Der gemeinsame Bericht von Integration Tirol und BJV enthält auch Empfehlungen für konkrete Maßnahmen in Österreich.

Ergebnis und weitere Schritte

Bei der diesjährigen Staatenprüfung vor dem UN-Fachausschuss zeigte sich, dass Österreich bei der Umsetzung des UN-BRK in vielen Punkten säumig ist – insbesondere bei den Themen De-Institutionalisierung, Barrierefreiheit, Verantwortlichkeit der Länder in der Umsetzung der UN-BRK und Bildung. Zudem wurden im Zuge der Befragung durch den Fachausschuss Fragen nicht ausreichend bzw. überhaupt nicht beantwortet. Von Seiten der UN wird es im September 2023 Empfehlungen geben, die Österreich in der Umsetzung berücksichtigen sollte.

Als BJV sehen wir die aktuelle Lage sehr kritisch und fordern einmal mehr die rasche Umsetzung der UN-BRK in allen Bereichen. Als politische Interessensvertretung werden wir uns weiterhin lautstark für die Rechte von jungen Menschen mit Behinderung einsetzen. Dies tun wir unter anderen durch den Inklusionsbeirat, damit die Anliegen dieser Personengruppe stärker in unsere Arbeit einfließen kann. Das nächste Treffen des Beirats findet am Do. 12. Okt. 2023 von 15 bis 18 Uhr im BJV-Büro (Liechtensteinstr. 57/2, 1090 Wien) statt. Wir freuen uns, wenn du Interesse an einer Teilnahme hast und bitten um Anmeldung bis 4. Okt. unter sebastian.muckenhuber@bjv.at. Gern steht Sebastian Muckenhuber auch für Rückfragen zur Verfügung!

Gemeinsamer Bericht von Integration Tirol und BJV (in Englisch, pdf-Download)

Rückblick: 1. Treffen des BJV-Inklusionsbeirats