Wir haben ein strukturelles Problem: Gewalt

Gewalt gegen Frauen ist eine der häufigsten Menschenrechtsverletzungen weltweit. Es gibt dabei viele Erscheinungsformen: körperliche, sexuelle, psychische, physische, soziale und ökonomische Gewalt.

Laut Statistik Austria hat jede dritte Frau in Österreich ab dem 15. Lebensjahr bereits körperliche oder sexuelle Gewalt erleben müssen. Durchschnittlich wird jede zweite Woche eine Frau von einer männlichen Bezugsperson ermordet. Verglichen mit den Jahren davor zeigt sich: die Tendenz ist steigend und durch die Pandemie hat sich die Situation verschlechtert. Das ist erschreckend und beunruhigend zugleich.

Tafel mit schrift wie viele noch und davor kerzen und rote rosen

Gewalt hängt dabei immer mit Machtverhältnissen zusammen. Strukturelle Gewalt beschreibt Machtverhältnisse, welche auf gesellschaftlicher Ebene diskriminierend sind, die Handlungsfähigkeit von Menschen einschränken und sie in ihren Entwicklungs- und Lebenschancen behindern.

„Strukturelle Gewalt beschreibt die in ein System eingebauten Mechanismen, welche die materielle, soziale oder ideelle Entwicklung von Menschen beeinträchtigen oder verhindern können. Strukturelle Gewalt umfasst also alle ungleichen Machtverhältnisse in einer Gesellschaft, die zu ungleichen Lebens-Chancen führen.“ (Friedensforscher Johan Galtung)

Der Genderaspekt ist dabei ein ausschlaggebender Punkt, denn geschlechterspezifische Gewalt ist tief in den patriarchalen Strukturen verwurzelt und wird durch intersektionale Merkmale wie Religionszugehörigkeit, Hautfarbe oder Migrationshintergrund verstärkt.

Strukturelle Gewalt äußert sich in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen oder diskriminierenden Gesetzen sowie sexistischer Sprache. Oft wird sie jedoch nicht als solche identifiziert, wenn etwa eine Frau aufgrund Kindererziehung kein eigenes lebenserhaltendes Einkommen hat und somit die Trennung vom gewalttätigen Partner besonders schwerfällt. Auch die Tatsache, dass Frauen in entscheidungstragenden Gremien unterrepräsentiert sind und ihre Bedürfnisse keine Beachtung finden, ist strukturelle Gewalt.

Was muss getan werden?

Wie Nesrin aus dem vorherigen Frauenkomitee in ihrem Blogbeitrag schreibt: „[…] die Gewalt an Frauen zu verhindern ist nicht allein die Aufgabe von zivilgesellschaftlichen Organisationen, sondern die des Staates. Gewalt an Frauen ist kein Problem der Frauen, sondern eines der Männer und dieses Problem muss an der Wurzel gepackt und bekämpft werden.“

Es braucht seitens der Politik mehr Präventionsmaßnahmen und mehr Maßnahmen zur Beratung und zum Schutz von Opfern, ohne sich dabei rassistischer Narrative zu bedienen. Denn jede Frau, egal mit welchem Background, egal aus welchen sozioökonomischen Verhältnissen, kann von Gewalt betroffen sein.

Gleichzeitig muss „an und mit Männern gearbeitet werden“. Daher lautet der Slogan der Kampagne „Orange the World“ der UN heuer: „Man(n) kann Gewalt an Frauen beenden“.

Gewalt ist ein strukturelles Problem – dementsprechend braucht es ganzheitliche und strukturelle Maßnahmen.

Einige Forderungen der BJV:

  • Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf Benachteiligungen aus Gründen der sexuellen Orientierung, des Alters, der Religion oder Weltanschauung auch außerhalb der Arbeitswelt (Levelling-up). Derzeit gilt das Gesetz nur für Beschäfti- gung und Beruf
  • Einen umfassenden Nationalen Aktionsplan (NAP) für die Gleichstellung der Geschlechter unter Einbindung relevanter Stakeholder (Sozialpartner, relevante NGOs).
  • Ausbau der Kooperation zwischen Behörden, Gerichten und Gewaltschutzzentren.
  • Der Zugang der betroffenen Frauen zum Recht muss verbessert, Opferrechte müssen ausgebaut werden.
  • Verpflichtende Verankerung des Themas Gewalt gegen Frauen und Kinder in der Ausbildung der Justizberufe und über die Ausbildung hinausgehende verpflichtende Schulungen für Justiz und Polizei hinsichtlich geschlechtsspezifischer Gewalt und sexueller Belästigung.
  • Verpflichtende Antigewalttrainings für Gefährdende.
  • Vermehrte Gewaltpräventionsworkshops und -arbeit in Schulen.
  • Recht auf sichere und kostenlose Unterkunft in einem Frauenhaus für jede von Gewalt betroffene Frau und damit einhergehend der Ausbau von Frauenhäusern v.a. auch in ländlichen Regionen. Ausreichende und sichere Finanzierung der Frauenhäuser und Aufnahme aller Frauen ohne Einschränkung (Personenstand, Staatsbürgerschaft etc.).

Weitere Forderungen der BJV kannst du im Positionspapier Frauenpolitik nachlesen.

Frauenrechte sind Menschenrechte.

 

Textbeitrag von: Aysenur Sümer, Sprecherin des Frauenkomitees