Frauen – Die zurückgelassenen Heldinnen der Coronakrise

Ein Text von Nesrin El-Isa, Stv. Sprecherin des Frauenkomitees

Bereits während des ersten Lockdowns im März 2020 zeichnete sich rasch ab, dass der Großteil der Systemerhalterinnen Frauen sind, die uns als Gesellschaft durch die Krise gebracht haben und noch immer bringen. Seien es Krankenpflegerinnen, Supermarktverkäuferinnen oder Lehrerinnen – Frauen sind hier überdurchschnittlich vertreten. Seit fast einem Jahr setzen sie sich dem Risiko einer COVID-Infektion aus und sind gezwungen Überstunden einzulegen. Gezeigt hat sich jedoch die Wertschätzung nur im gelegentlichen Applaus und Social-Media Posts, aber nicht in ihrer Entlohnung.

Ab dem 22. Oktober haben Frauen im Jahr 2020 quasi gratis gearbeitet. Laut der Studie „Frauen – Politik – Medien“, findet sich in der österreichischen Politiklandschaft das Thema Lohngerechtigkeit erst an 14. Stelle und erhält dadurch noch immer zu wenig mediale Aufmerksamkeit.

Corona verdeutlicht wo die Probleme liegen: Wer sich Home-Office wirklich leisten kann und wer nicht. Frauen sind größtenteils immer noch strukturell bedingt dazu gezwungen für die Erziehung der Kinder und die unbezahlte Hausarbeit aufzukommen. Dadurch wird das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ zu einer leeren Worthülse. Auch eine Studie der Ökonomin Katharina Mader stellte fest, dass es vor allem Frauen sind, „die in ihrem Job zurückstecken, die Kinderbetreuung übernehmen, einkaufen, den Haushalt schmeissen und Schulaufgaben managen. Oft, damit der besserverdienende Mann weiter arbeiten gehen kann“. Ebenfalls wird nachgewiesen, dass Frauen in Paarhaushalten mit Kindern neuneinhalb Stunden unbezahlte Arbeit pro Woche leisten, Männer hingegen nur rund sieben Stunden pro Woche unbezahlt arbeiten.

Frau steht vor einer Wand, an der mehrere Mund-Nasen-Schutz Masken befestigt sind.

Was wir aus der Coronakrise lernen können? Als Gesellschaft müssen wir endlich damit beginnen, Frauen sozial, finanziell und ökonomisch zu stärken, um Geschlechtergerechtigkeit auf allen Ebenen tatsächlich umzusetzen und nicht nur zu predigen.

Es spielen hier viele Faktoren zusammen, die die derzeitige ungerechte Verteilung von Ressourcen zwischen Frauen und Männern begünstigen. Einerseits müssen wir endlich den Gender Pay Gap schließen. Andererseits braucht es weitere dringende Schritte wie:

  • Eine Infrastruktur, die eine reale Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht – also ausgebaute Kinderbetreuungsmöglichkeiten, vor allem direkt in den Unternehmen.
  • Eine strukturelle Neubewertung und schließlich auch finanzielle Vergütung von unbezahlter, wie auch bezahlter Arbeit.
  • „Typische Frauenberufe“ müssen höher bewertet und besser bezahlt werden. Das betrifft (elementar-)pädagogische Berufe, den Sozial- und Pflegebereich, aber auch andere (zum Teil systemerhaltende) Berufsgruppen, wie z.B. Angestellte im Einzelhandel.
  • Vermehrte Aufklärung und Sensibilisierung von Frauen und Männern zu Teilzeitarbeit, Frauen-Erwerbsbiografien und Altersarmut, speziell von Frauen. Wirksame Strategien und Maßnahmen gegen Teilzeitarbeit (Teilzeitfalle, Pensionsfalle).
  • Arbeitszeitverkürzung auf eine 30-Stunden-Woche und eine 6. Urlaubswoche bei vollem Lohnausgleich.
  • Rücknahme des 12-Stunden-Tages: Arbeitszeiten sollen möglichst flexibel einteilbar sein (auch das ermöglicht eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für alle)

Diese wichtigen Ansätze tragen langfristig dazu bei, dass wir und die nächsten Generationen in einer Gesellschaft aufwachsen können, die Frauen und Männer als gleichwertige Bürgerinnen und Bürger ansieht und demnach behandelt. Wenn wir jungen Mädchen sagen, sie können alles werden, was sie wollen, muss auch ein funktionierendes System dahinterstehen, das diese Aussage stützt und sie dorthin (be)fördert.

Nehmen wir das letzte Jahr als einen Weckruf, um jetzt zu handeln und unsere Heldinnen zu feiern, indem wir ihnen die Wertschätzung auf allen Ebenen geben, die ihnen mehr als nur gebührt!

Weitere Forderungen der BJV im Bereich Frauenpolitik findest du HIER zum nachlesen.