Keinen Millimeter zurück bei reproduktiven Rechten!

Solidarität mit den Frauen in Polen wichtiger denn je

Ein Text von Hannah Svoboda, Stv. Sprecherin vom BJV-Frauenkomitee

In konservativ regierten Staaten steht die Entrechtung von Frauen immer als erstes auf der Tagesordnung. Auf der ganzen Welt müssen wir dabei zusehen, wie das Erbe unserer feministischen Vorkämpferinnen von den Männern an der Macht mit Füßen getreten wird. Allerdings muss man keine zwölf Flugstunden in die USA antreten, um der Hölle für Frauen ein Stück näher zukommen – ein Blick ein paar Ländergrenzen weiter reicht.

Der polnische Verfassungsgerichtshof, in dem der Großteil der Richter_innen von der rechts-konservativen Regierungspartei PiS gestellt wird, hat am 22.10.2020 ein Urteil erlassen, das einen bahnbrechenden frauenpolitischen Rückschritt mit sich bringt: Das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen bei „Föten mit Fehlbildungen“. 2019 wurden 97% der legalen Abtreibungen in Polen – aufgrund des ohnehin schon so eingeschränkten Rechts auf körperliche Selbstbestimmung – infolge solcher embryopathologischer Gründe druchgeführt. Das heißt, dass Schwangerschaftsabbrüche mit diesem Urteil de facto abgeschafft wurden.

Zehntausende Frauen und solidarische Mitdemonstrant_innen gehen seit der Verkündung des Urteils in Polen (und international) auf die Straße. Mit Sprüchen wie „mein Uterus ist keine Kapelle“ zeigen sich die Polinnen widerständisch gegen die geplanten Abtreibungsregelung und die in Polen so dominante katholische Kirche. In Österreich haben ebenfalls Menschen bei mehreren Kundgebungen ihre Solidarität mit den betroffenen Polinnen bekundet.

Keinen Millimeter zurück bei reproduktiven Rechten!

Falls das Abtreibungsgesetz trotz der andauernden Proteste so umgesetzt wird, werden in Polen Schwangerschaftsabbrüche nur mehr nach Vergewaltigungen oder wenn sich die Gesundheit der Schwangeren unmittelbar in Gefahr befindet legal durchgeführt werden. Wenn man Gerüchten glaubt, wird daran gearbeitet, sogar diese letzten restriktiven Möglichkeiten abzuschaffen.

Seit Dienstag kursieren erneut Nachrichten zum Abtreibungsverbot in Polen. Es ist die Rede von einem Aufschub der Regelung, der durch die erfolgreichen Proteste der Polinnen in den letzen Wochen vorangetrieben worden sei. Über diesen (scheinbaren) Zwischenerfolg sollten wir uns allerdings nicht zu früh freuen, da sich erst zeigen wird, ob sich die polnische Regierung tatsächlich auf die Bevölkerung einlassen wird oder es sich nur um eine gezielte Verzögerungstaktik handelt, um die Proteste in den Hintergrund zu rücken und das Verbot zu einem ruhigeren Zeitpunkt in Kraft treten zu lassen.

Auch in Österreich gibt es immer wieder Tendenzen, die hart erkämpften Freiheiten in Frage zu stellen. Dabei geht es z.B. um die Fristenregelung, die es Frauen erlaubt, innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen straffrei abzutreiben. Während Konservative diese Straffreiheit weiter einschränken wollen, braucht es vielmehr progressive Lösungen, um allen einen sicheren und legalen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen. Denn die Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung von Frauen darf niemals in Frage gestellt werden!

Schwangerschaftsabbrüche zu verbieten, vermindert übrigens in der Regel die Zahl der tatsächlichen Abbrüche nicht – es treibt die betroffenen Frauen in die Illegalität und bringt nicht selten ihre Leben durch unsichere Abtreibungen in Gefahr. Um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern, muss man an anderen Stellen ansetzen. Es braucht progressiven Aufklärungsunterricht von klein auf, um junge Menschen auf Themen wie Sexualität, Konsens und Verhütung zu sensibilisieren. Verhütung muss niederschwellig zugänglich sein, um ungewollte Schwangerschaften (und somit Abtreibungen) vorzubeugen.

Wir solidarisieren uns weiterhin mit den Frauen in Polen – denn wo Abtreibungen verboten werden, werden Frauen nicht nur zum Gebären gezwungen, sondern auch in Lebensgefahr gebracht. Kein Millimeter zurück bei reproduktiven Rechten!

Die BJV fordert daher:

  • Die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.
  • Kostenfreien, flächendeckenden, leichten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen.
  • Angebot auf Schwangerschaftsabbruch in allen öffentlichen Krankenanstalten.
  • Niederschwelligen Zugang zu medikamentösem Schwangerschaftsabbruch.
  • Kostenfreie und leicht zugängliche Verhütungsmittel.
  • Den Ausbau des Angebots an Beratungsstellen.

Mehr Infos und feministische Forderungen der BJV findest du im Positionspapier Frauenpolitik.