Wo sind die Wissenschafterinnen?

Wenn Frauen auf der akademischen Karriereleiter verloren gehen und was man dagegen tun kann

Ein Text von Hannah Svoboda

Jährlich am Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft, am 11. Februar, müssen wir feststellen, dass es für Frauen und Mädchen gar nicht so leicht ist, wirklich in der Wissenschaft Fuß zu fassen. An den österreichischen Hochschulen haben Frauen nicht die gleichen Aufstiegschancen wie Männer. Dieses Phänomen nennt sich auch “Leaky Pipeline”. Diese “undichte Leitung” soll darstellen, wie Frauen auf ihren Karrierewegen im Hochschulsystem nicht nur an eine Decke stoßen und keine leitenden Positionen besetzen, sondern dass auch mit jedem Schritt auf der akademischen Karriereleiter Frauen verloren gehen, also kontinuierlich “heraustropfen”.

Das mag zunächst seltsam erscheinen: Denn eigentlich sind die Mehrheit der Studienanfänger_innen Frauen – nämlich 53 Prozent. In manchen Studien sind Frauen sogar überrepräsentiert. Der Frauenanteil in den Geistes- und Kulturwissenschaften liegt zum Beispiel bei 71 Prozent. In klassisch männlich dominierten Bereichen, z.B. den Ingenieurswissenschaften, ist der Frauenanteil mit 29 Prozent jedoch sehr gering. Hier zeichnet sich eine typische geschlechtsspezifische Rollenzuschreibung ab.

Wo sind die Wissenschafterinnen?

Weniger als ein Drittel der Forscher_innen in Österreich sind Frauen. Von den Professor_innen an den Universitäten sind nur 23 Prozent weiblich, an technischen Universitäten gerade einmal 9 Prozent. 2004 waren in den ingenieurwissenschaftlichen Studien 14 Prozent der Student_innen Frauen, 2015 waren es 26 Prozent. Auch wenn sich die Geschlechterverhältnisse von Jahr zu Jahr ein kleines bisschen angleichen, werden Frauen immer noch ungerechte strukturelle Barrieren in den Weg gelegt, die ihnen eine wissenschaftliche Karriere verbauen.

Der Gender Pay Gap, also die Lohnschere zwischen Frauen und Männern, tut sich auch in Studium und Hochschulsystem auf. Im Wissenschafts- und Forschungsbereich verdienen Frauen 19,5 Prozent weniger als Männer. Nur 24 Prozent der Frauen werden für ihre Praktika entlohnt, im Gegensatz dazu aber fast die Hälfte der Männer. Außerdem verdienen erwerbstätige Studentinnen laut Studierendensozialerhebung 2015 10 Prozent weniger pro Arbeitsstunde. Das ist darauf zurückzuführen, dass es eine geschlechtsspezifische Aufteilung in den verschiedenen Fachbereichen gibt und sich z.B. ein großer Frauenanteil im (klassischerweise schlechter bezahlten) Sozialbereich erkennen lässt.

Wo sind die Wissenschafterinnen?

Diskriminierung verdrängt Frauen von den Hochschulen

Eine Studie des Instituts für Höhere Studien erfasste 2015 die Diskriminierungserfahrungen von Studierenden mit einem Schwerpunkt auf genderbezogene Diskriminierung. Dabei gaben 27% der Studentinnen an, schon mindestens einmal im Hochschulkontext diskriminiert worden zu sein, mehr als ein Drittel von ihnen führt das auf ihr Geschlecht zurück. Frauen, die mehrfach diskriminiert werden, also z.B. Schwarze Frauen, Women of Color, Frauen mit Behinderungen oder kopftuchtragende Frauen, erleben sexistische Diskriminierung außerdem meist häufiger und verstärkter. Sexistische Diskriminierung an den Hochschulen beginnt bei der Ungleichverteilung von Ressourcen, sexistischen Witzen und Stereotypisierungen und endet bei einem Prozent der Befragten sogar in körperlichen Übergriffen.

All die genannten Zahlen und Fakten enden in einer starken Unterrepräsentation von Frauen im akademischen Bereich. Einerseits werden patriarchale Strukturen und klassische Rollenbilder so aufrecht erhalten und sogar verschärft, andererseits geht durch den geringen Anteil an Jungwissenschafterinnen unglaublich viel akademisches Potential verloren. So bleibt die universitäre Forschung weiterhin männerdominiert und vor allem männlich geprägt. Sexistische Erzählungen und männer-zentrierte (oder “androzentristische”) Forschung werden weiter gefestigt.

Was wir wollen: Mädchenförderung und Frauenquoten

Was es braucht, um diese anhaltenden Missstände zu bekämpfen, sind Frauenquoten in Hochschulgremien und wissenschaftlichen Disziplinen, gerechte Entlohnung im Hochschulbetrieb und vor allem gezielte Mädchen- und Frauenförderung (besonders in männerdominierten Bereichen), die in der Schule beginnt. So könnten wir anlässlich des Internationalen Tags der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft auch wirklich allen Mädchen garantieren, dass sie einmal Wissenschafterinnen werden können!